Von Eiern und Küken, denen Corona „piepsegal“ ist

 

Es ist die erste Märzwoche. Weder die Lehrer*innen noch die Schüler*innen des SBBZ am Klinikum ahnen, was in diesem Monat noch auf sie zukommen wird. Welche noch nie dagewesenen Änderungen und Einschnitte in das Leben, wie wir es kennen. Geplant ist zu diesem Zeitpunkt jedoch wieder das alljährliche Brutprojekt, auf das sich alle Erwachsenen schon riesig freuen. Sie haben einen Vorsprung, denn sie haben schon öfter mitgefiebert, gestaunt über die Entwicklung im Ei und die flauschigen kleinen Wesen verzückt in den Händen gehalten. Heute sollen auch die Kinder davon erfahren.

Die Lerngruppe der Grundstufe setzt sich derzeit aus 12 Schülern von Klasse 1 bis Klasse 6 zusammen. Nach der großen Pause sammeln sich die Jungen im Halbkreis. „Bevor es mit den Arbeitsplänen weitergeht, machen wir noch etwas anderes“, hatte eine der beiden Sonderpädagoginnen angekündigt. Nun schieben die beiden Lehrerinnen einen großen Pappkarton ins Klassenzimmer. Sie blicken in fragende Gesichter. Dass etwas ganz besonderes bevorsteht und eine große Sache enthüllt wird, liegt in der Luft. Ein Projekt, das bis zu den Osterferien andauern soll, soviel verrät Frau Kontschak. „Ratet mal, was das in dem Karton ist!“

Die Schüler fragen: „Lebt es?“, „braucht es Strom?“, „ist da ein Tier drin?“ und kommen der Sache immer näher. Zuletzt wird der Brutkasten enthüllt und aufgestellt. Jeden Tag werden wir uns nun mit Themen rund um das Ei, Küken und Hühner befassen. Drei Wochen sollen sich die Eier im Brutkasten  entwickeln und am 21. Tag beginnt das große Schlüpfen in der Schule. Die übrigen Tage, bis zu den Ferien, werden die Küken in einem kleinen Gehege mitten im Klassenzimmer verbringen. Sie können beobachtet und sogar vorsichtig gestreichelt und auf die Hand genommen werden. So zumindest der Plan. Angesteckt durch die Vorfreude der Lehrerinnen, können es die Kinder nun auch kaum noch erwarten.

In der darauffolgenden Woche werden die Eier eingelegt, es wird gelernt, viele Fragen werden gestellt und beantwortet. Nach einer knappen Woche sieht man schon große Veränderungen im Ei. Beim Schieren durchleuchten wir die Eier mit einer speziellen Lampe. Anfangs sah man lediglich einen beweglichen dunklen Schatten im Ei. Der Eidotter. Nun bildet sich schon ein Netz aus Blutadern im Inneren. Staunen macht sich breit. „Wie ein Dinoei!“, stellen die Schüler fest. Die Spannung wächst.

Zeitgleich wächst jedoch auch die Sorge um die Corona-Epidemie. Täglich verfolgen wir die Entwicklung in den Medien und am 16. März ist es schließlich soweit: Alle Schulen des Bundes schließen, als Maßnahme zur Eindämmung einer Ausbreitung des Virus. Somit auch das SBBZ. Gefasst nehmen die Kinder diese Nachricht auf. Dann aber die große Frage: „Was wird aus den Eiern?“ Die Kinder verabschieden sich an diesem Montag nicht nur von Ihren Lehrerinnen und der Schule, sondern auch vom Brutkasten. Einige sind traurig. Sie wissen jedoch, dass die Eier heute ihr erstes großes Abenteuer erleben werden. Sie werden sorgsam in Schachteln verpackt und mitsamt Brutkasten auf eine Reise geschickt. Frau Kontschak fährt nach Mannenweiler. An diesem Ort sollten die Küken später ohnehin aufwachsen und zukünftig ein glückliches Hühnerleben leben können. Dort werden die Eier zunächst noch zwei weitere Wochen im Brutkasten liegen. Unter den Augen der Familie Bay schlüpfen die Küken und werden herzlich in Empfang genommen. Wenn sie erstmal groß und abenteuerlustig genug sind, warten hier grüne Wiesen, herrliche frische Luft und tierische Freunde auf sie. Corona kann ihnen da zum Glück „piepsegal“ sein.